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Selbstan­bin­dungs­re­flex Mamas Brust fin­den/Breast Crawl

Schwedische Studie mit erstaunlichen Ergebnissen

Wenig bekannt ist, dass eine vollständige sichere Eltern-Kind-Bindung aus zwei Bindungsprozessen besteht. Bonding der Eltern zum Kind und Selbstanbindung des Babys zu Mutter und Vater. Bonding der Eltern bedeutet, dass diese sich in ihr Kind verlieben. Mutter und Vater reagieren hormonell, dabei wird Oxytocin und Prolaktin ausgeschüttet.

Alex Lichtmalerei DSC 5498Foto: Alex Lichtmalerei
Das Baby vollbringt seine ganz eigene Bindung an die Eltern. Viele haben vom Selbstanbindungsreflex gehört oder auch Breast-Crawl. Die Selbstanbindung des Babys während und kurz nach der Geburt ist sehr bedeutsam.

Was macht ein Baby in der ersten Stunde nach seiner Geburt genau, wenn es während seiner Geburtsreise ohne Medikamente, operative oder andere manuelle Eingriffe zur Welt kommen durfte?
Dies haben Ann-Marie Windstrom und ihre Kollegen am Karolinska-Institut in Schweden (Quelle 1 s.u.) untersucht und gesehen, dass ein Neugeborenes die Brust der Mama ganz alleine findet, wenn es direkt auf den Unterbauch der Mutter gelegt wird, nachdem es aus diesem ganz herausgekommen ist. Spannend zu lesen ist, dass festgehalten wurde, wann das Baby was macht:

15 Minuten lang passiert erstmal nichts, das Baby „verschnauft“ und „verdaut“ die vielen haptischen und emotionalen Erfahrungen. Es hat eine anstrengende Arbeit geleistet. Es ist emotional und kognitiv hellwach. Mit seinen Körperempfindungen nimmt es die Weite des Raumes, die Andersartigkeit der Temperatur, der Geräusche und des Lichts wahr. Es braucht einfach Zeit auch psychisch in der Welt anzukommen. Dann zieht es seine Beine an, so, als wollte es krabbeln.

Nach etwa 35 Minuten beginnt das Baby damit, seine Hand in den Mund zu nehmen. An seiner Hand riecht es den Geruch vom Fruchtwasser. Damit der Geruch vollständig an seiner Hand bleiben kann, darf diese nicht abgerubbelt werden. Die Brustwarzen der Mama verströmen den gleichen Duft und das Baby folgt dieser Geruchsspur.
Nach 45 Minuten beginnt das Baby mit Such- und Saugbewegungen. Dabei hebt es seinen Kopf, das ist wirklich anstrengend. Sicherlich verspüren viele Eltern dann den Impuls, es dem Baby leichter zu machen, indem sie es zur Brust hochziehen. Tun sie es nicht, können sie weitere erstaunliche Beobachtungen machen.
Diese Saug- und Suchbewegungen, während das Köpfchen immer wieder auf Mamas Bauch plumpst, haben eine elementare Bedeutung für das Immunsystem des Babys. Auf der Haut der Mama sind außerordentlich viele gute Bakterien. Diese nimmt das Baby mit dem Suchen, Lecken und Saugen in sich auf und bildet daraus sein Mikrobiom für Haut, Magen und Darm.

Nach 55 Minuten hat das Baby die Brust gefunden, mit den Händen die Brustwarzen geknetet. Mit dem Kneten sagt es der Brust: „Mach mal Milch, ich bin jetzt da und habe Hunger.“ Das Baby hebt den Kopf und lässt ihn von oben auf die Brust der Mama herabfallen. Es braucht keine Anleitung dazu, wie es die Brust der Mama korrekt in den Mund nimmt. Mit dem Herabfallenlassen seines Köpfchens hat es die Brustwarze und den Vorhof richtig im Mund, sättigt sich mit dem Kolostrum und regt die Milchbildung an. Jetzt hat sich das Baby selber an die Mama angebunden und die Erfahrung gemacht: „Ich habe es mit meiner eigenen Kraft geschafft!“

Alle natürlich geborenen Babys, die an der schwedischen Studie teilnahmen, krabbelten zur Brust, fanden sie und saugten richtig daran.

Was passiert mit Babys und ihrer Selbstanbindungsfähigkeit nach einer medikalisierten Geburt?(2)

Nicht alle Babys in der Gruppe der medikalisiert geborenen Babys krabbelten. Die Kinder, die es schafften, saugten schlechter, verglichen mit der Gruppe der natürlich geborenen Kinder.
Es wurden Babys beobachtet, die nicht nur 20 Minuten lang zur Reinigung und Messung von der Mutter getrennt wurden, sondern auch eine medikalisierte Geburt erlebt hatten. Diese Kinder spürten keine Richtung, selbst wenn die Mütter versuchten zu helfen. Die Kinder lagen ohne Körperspannung auf der Mutter und konnten sich nicht in gleicher Weise selbst anbinden wie die Vergleichsgruppe der nicht medikalisiert geborenen Babys.
Babys in einer weiteren Gruppe, die von der Mutter getrennt, aber nicht medizinisch versorgt worden waren, zeigten in der Hälfte der Fälle ein schlechteres Saugverhalten. Wenn die Babys sowohl getrennt als auch medizinisch behandelt wurden, schaffte keines von ihnen, von selbst gut mit dem Saugen zurecht zu kommen.

Wie kannst Du, wie könnt Ihr Eltern Euer Baby unterstützen?
Widersteht bitte dem Versuchung, eurem Kind die Anstrengung abnehmen zu wollen, den Weg zur Brust selbst zu finden. Es sieht so zart und hilflos aus, wenn der schwere Kopf wieder und wieder auf den Bauch fällt. Aber alles, was Euer Baby jetzt braucht, ist dies: Ihr haltet Eure Hände unter die Fußsohlen Eures Babys. Das Baby streckt seine Beine, stößt sich an Mamas oder Papas Hand ab und rutscht so auf Mamas Bauch hoch zur Brust. Beobachtet einfach Euer Baby und schaut ihm in die Augen, wenn es Euch anschaut. Lasst Euch von Eurem Baby verzaubern.

Doris Lenhard, Bindungsanalytikerin

Quellen:
(1) Karolinska-Institut Healthy Children Project, Center for Breastfeeding
in Philippa Perry: „Das Buch von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)“ Deutsch: Gebundene Ausgabe, S. 120
(2) Healthy Children Project, Center for Breastfeeding 

12/2022

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